Die Bildungsrevolution neue Lernkonzepte im Fokus
„Neues Lernen“ dreht Bildung vom Kopf auf die Füße und stellt Lernen statt Lehre ins Zentrum. Höchste Zeit, sagen Fachleute und erklären, was hinter Neuem Lernen steckt.
„Neues Lernen“ dreht Bildung vom Kopf auf die Füße und stellt Lernen statt Lehre ins Zentrum. Höchste Zeit, sagen Fachleute und erklären, was hinter Neuem Lernen steckt.
Wie kann sich das Bildungssystem und damit auch die Arbeitswelt von morgen zukunftsfähig entwickeln? Gar nicht, wenn es so weiterläuft wie bisher, sagen Experten aus Forschung und Praxis und fordern eine veränderte Schul- und Bildungskultur. Der Begriff New Learning oder Neues Lernen bündelt unterschiedliche Wege, um Bildung neu anzugehen. Die Grundidee aber ist immer gleich gut: Gelernt wird nach den Bedürfnissen und Interessen der Lernenden – bei der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen ebenso wie beim Unterricht von Kindern.
Durch die derzeitige traditionelle Organisation des Lernens gehen der Gesellschaft zu viele begabte Menschen verloren, darin sind sich Vordenker des New Learning einig. Einen Überblick finden man in Burow (2022): # Schule der Zukunft.
Durch die derzeitige traditionelle Organisation des Lernens gehen der Gesellschaft zu viele begabte Menschen verloren, darin sind sich Vordenker des New Learning einig. Einen Überblick finden man in Burow (2022): # Schule der Zukunft.
Durch die derzeitige traditionelle Organisation des Lernens gehen der Gesellschaft zu viele begabte Menschen verloren, darin sind sich Vordenker des New Learning einig. Einen Überblick finden man in Burow (2022): # Schule der Zukunft.
„Schule hat sich in den letzten 200 Jahren auf Unterricht ausgerichtet. Es geht aber heute weniger um Unterricht, sondern mehr um Lernen. Und zu viel Unterricht, zumal wenn er nach „alter Schule“ läuft, kann Lernen sogar behindern“, sagt Olaf-Axel Burow, Professor i.R. für allgemeine Pädagogik in Kassel. Das Prinzip „Alte Schule“ läuft bekanntlich so: Alle sollen zur gleichen Zeit den gleichen Stoff im gleichen Tempo mit den gleichen Methoden begreifen, weil sie biologisch im gleichen Alter sind. Macht dies angesichts unterschiedlicher Voraussetzungen und Lernstile schon wenig Sinn, sitzen Kinder und Jugendliche noch immer häufig in sogenannten Flurschulen, die nach dem Vorbild von Militär-Kasernen gebaut wurden: in geschlossenen Klassenräumen, auf unbeweglichem Mobiliar, der Blick geht nach vorn zur Lehrkraft. Von ihr sollen sie eigentlich, wie es so schön heißt, etwas „Vernünftiges“ lernen. Nur ist das, was als vernünftig gilt, seit Jahrzehnten festgelegt.
„Neues Lernen dagegen fragt, welche pädagogischen und räumlichen Gegebenheiten es braucht, welchen Mix aus digital und analog, damit Schule individuelle Neigungen und Talente erkennen kann, um sie personengenau auf der jeweiligen Lernstufe zu fördern“, sagt Bildungsexperte Burow. Wie viel Potenzial ansonsten auf der Strecke bleiben kann, kann jeder für sich beantworten: Was hat mich während meiner Schulzeit begeistert? Hat mich eine Lehrkraft gezielt und kontinuierlich über Jahre darin gefördert? Nein? Eben. „Wenn ich aber eine eigene Sache für mich entdecke und im eigenen Tempo aus eigenem Antrieb daran arbeiten kann, lerne ich problemlos und schnell. Das ist genau der Punkt beim New Learning“, sagt Burow. Und es bereitet Kinder vom Start weg auf ihre Zukunft in einer Gesellschaft vor, in der niemand mehr ausgelernt haben wird.
Kompetenzen entwickeln statt Wissen reproduzieren
Sich bei Problemen selbst schnell schlau machen können, Zusammenhänge erkennen, kreativ mit unplanbaren Veränderungen umgehen, auf diese Kompetenzen wird es zukünftig ankommen. Denn auch wenn Schulen die denkbar schwierige Aufgabe haben, auf Berufe vorzubereiten, die es heute noch gar nicht gibt, ist völlig klar: Die Welt dreht sich schneller, Technologiezyklen werden kürzer, die Halbwertzeit von Wissen sinkt. Die Konsequenz heißt lebenslanges Lernen – weshalb auch die Wirtschaft Bildung und Weiterbildung immer stärker in den Fokus nimmt.
Studien zeigen, dass lebenslanges Lernen für Unternehmen das wirksamste Mittel ist, um mit den anstehenden Aufgaben der digitalen Transformation umzugehen. Sich von innen heraus gegen die Veränderung von außen stärken, so ist der Plan. Der geht allerdings nur dann auf, wenn Mitarbeitende Lernen als Teil des Jobs verinnerlichen. Das wiederum setzt voraus, dass erstens, die Freude am Lernen nicht bereits im Physiksaal der Schule verlorengegangen ist. Zweitens darf Fortbildung nicht nur als zeitfressende Pflichtveranstaltung erlebt werden. An diesem Punkt setzt die Definition von New Learning an, wie sie sich als Spin-Off des New Work-Konzepts von Frithjof Bergmann der 1970er- und 80er-Jahre abgeleitet hat. Seine Philosophie: Beim Lernen führen Freiwilligkeit, Eigenverantwortung und das Gefühl von sozialer Zugehörigkeit zu Motivation und Entfaltung eigener Potenziale. Was übrigens längst durch das Flow-Konzept von Csikszentmilhalyis und die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan wissenschaftlich bestätigt ist. Wie diese Erkenntnisse umzusetzen sind, ist eine Schlüsselherausforderung für Unternehmen, die zukunftsfähig werden wollen. Die bessere Integration und Personalisierung von Lernen im Unternehmen wurde nicht ohne Grund in einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte als wichtigster HR-Trend 2019 ausgewiesen.
Gute Ideen werden bekanntlich immer mehrfach geboren, so auch bei New Learning. Denn vieles von dem, was in Personalabteilungen und Ausbildungsstätten unter New Learning diskutiert wird, ist aus Sicht der Erziehungswissenschaft ein alter Hut. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab Maria Montessori die berühmte Formel aus: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Ihre eigens dafür entwickeltes Holz-Lernmaterial, das sie von VS in Deutschland herstellen und vertreiben ließ, sollte damals schon durch die Gestaltung einer „vorbereiteten Umgebung“ zum selbstständigen Lernen anregen. Doch es braucht gar nicht den langen Blick zurück bis zur Reformpädagogik der Jahrhundertwende. Schlagwörter der aktuellen Diskussion wie „Eigenverantwortlichkeit“ oder „Kompetenzorientierung“ sind seit Jahrzehnten in den aktuellen Schulcurricula nachzulesen. Neu am Neuen Lernen ist deshalb vor allem das sich verfestigende Bewusstsein aller Akteure dafür, endlich umsetzen zu müssen, was wissenschaftliche Erkenntnisse und die Lehrpläne längst fordern.
Dabei half die Corona-Pandemie als Brandbeschleuniger. Sie offenbarte nicht nur Schieflagen, sondern machte z. B. digitales Lernen an Schulen, Unis und in Unternehmen erstmals notwendig und damit erlebbar. Das sei die Chance, sagten führende Bildungsforscherinnen und -forscher und plädierten 2020 im „Hagener Manifest“ für Neues Lernen im Sinne eines grundlegend neuen Verständnisses von Lernen für Schulen, Hochschulen und Erwachsenenbildung. Ihre Forderung: digitale Ausstattung für alle, berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrende und den radikalen Perspektivwechsel vom Lehrenden hin zum Lernenden.
"Hilf mir es selbst zu tun."
Maria Montessori
Wie sieht Neues Lernen in der Praxis aus?
Sich darauf einzulassen, erfordert von Lehrkräften ein radikales Umdenken oder vielleicht auch nur die Rückbesinnung auf das, weshalb sie eigentlich den Beruf gewählt haben: nämlich als Pädagogen Heranwachsende zu fördern, indem sie individuelle Lernprozesse begleiten, statt lediglich Wissen reproduzieren zu lassen. Kein Wunder, denn es ist ungleich befriedigender.
„Die Praxis zeigt, dass Kinder und Jugendliche eine unglaubliche Energie aktivieren und Ernsthaftigkeit spüren lassen, wenn sie sich mit dem, was sie tun, innerlich verbinden, an Aufgaben arbeiten, die Sinn machen und die sie sich vielleicht sogar selber geben“, sagt Josef Watschinger, der Neues Lernen in Südtirol in einem Netzwerk von Schulen und Kindergärten im Pustertal mehr als zwei Jahrzehnte entwickelt und begleitet hat.
Für Laien klingt das Programm selbstgesteuerten Lernens ein bisschen so, als würde jeder im Unterricht machen können, was er will. Doch auch eine neue Lernkultur beinhaltet natürlich ebenso Einführungen in Themen, angeleitete Trainings und einen systematischen Aufbau schulischer Basiskompetenzen. Arbeitsaufträge werden von der Lehrkraft in konzentrierten Inputphasen klar formuliert. Dann aber entwickeln Kinder mehr und mehr die Kompetenz, selbst zu entscheiden: Wo und wie kann ich diesen Arbeitsauftrag in welchem Tempo mit welchem Schwerpunkt gut erledigen? Am Stehtisch, in der Gruppe, allein auf dem Boden? In Bewegung, am Modell, mit dem Laptop, mit Büchern, im Gespräch? So lässt sich der eigene Lernstil entwickeln und Selbstorganisation lernen. Schließlich ist in der Ausbildung, Uni, spätestens aber im Job die Manndeckung weg und niemand mehr da, der einem sagt: „Hol dein Buch raus.“
Abschied vom Klassenzimmer
Damit neu gelernt werden kann, muss Schule anders gedacht werden: als eine Art Werkstatt, die in weiten Teilen flexibel bespielbar ist und auch externe Lernorte nutzt. Wie das aussehen kann, zeigt unter anderem das Beispiel der Alemannenschule Wutöschingen. Neben dem „Lernatelier“, in dem bis zu 250 Schülerinnen und Schüler ein Drittel der Zeit im eigenen Tempo arbeiten, gibt es Inputräume, Coaching-Bereiche, Arbeitsinseln für den Rückzug und große Gemeinschaftsflächen für das Arbeiten in altersübergreifenden Projektteams. Die mobile Ausstattung lädt die Kinder ein, innerhalb einer erkennbaren Grundordnung für sich ein Lernumfeld zu inszenieren, mit dem sie sich gerade am wohlsten fühlen. Sie können auch mal bewusst den Raum wechseln, um die „Reset-Taste“ zu drücken. Denn wie soll jemand an ein- und demselben Tisch erst eine 6 in Mathe kassieren und 5 Minuten später kreative Bilder für den Kunstunterricht malen können?
„Schülerinnen und Schüler verstehen die Sprache der Räume intuitiv, wissen sofort, ob sie selbst gefragt oder nur Objekte sind, die beschallt und diszipliniert werden müssen“, sagt Watschinger, der Lern- und Schulraumentwicklung europaweit vorangetrieben hat. Das geht Erwachsenen nicht viel anders. Schließlich sind Räume immer ein Ausdruck dessen, wie Lernen verstanden wird.
FloorFriends
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Neue Denkräume für Neues Lernen schaffen
Sinnvolle Raumplanung beginnt deshalb nicht beim Raum. Sie beginnt mit einem weißen Blatt und der wichtigsten Frage von allen: Wie wollen, wie müssen wir als Schule zukünftig arbeiten? „Die wirkliche Veränderung beginnt im Kopf. Deshalb müssen wir im ersten Schritt neue Denkräume schaffen, um dann über den pädagogischen Bedarf den Rahmen zu entwickeln, der den Auftrag von Schule in Räume übersetzt“, sagt Karin Doberer, Geschäftsführerin von LernLandSchaft, die Schulen, Bildungsträger und Kommunen europaweit bei Neubau, Umbau und Sanierungen berät. Das kann eine Riesenchance sein, um überholte Denkmuster zu durchbrechen: weg von Klassen-Denken und Einzelkämpfertum im Kollegium hin zu multiprofessionellen Teams und Lerngemeinschaften.
Tatsächlich hat die Veränderung im Hinblick auf Räume weniger mit Quadratmetern zu tun, als viele denken. Neues Lernen funktioniert auch in alten Gebäuden, sofern die Räume tatsächlich gestaltet sind. „Ein Kuschelsofa in der Ecke, das ist Kosmetik. Was es braucht, ist eine lernstilgerechte Lernumgebung von der Grundschule bis zur Berufsschule, wo sich Pädagogik, Architektur und Ausstattung sinnvoll verbinden. Der Gesellschaft gehen zu viele begabte Menschen, Kinder wie Erwachsene verloren, nur weil man ihren Lernstil nicht bedient“, sagt Doberer, die als Prozesscoach den Planungsdialog zwischen Bildungsträgern, Architekten und Kommunen moderiert. Ihrer Schätzung nach bieten etwa zehn Prozent der Schulen eine Lernumgebung, die Neues Lernen unterstützt.
Nicht gerade viel, zumal Lernzeit immer auch Lebenszeit ist. Wäre es nicht sinnvoller, diese Zeit in einer Umgebung zu verbringen, die das Wohlbefinden sowie Lernen und Lehren gleichermaßen fördert, statt sie in einer Lernumgebung zu verschwenden, die es erschwert?
Für weitere Informationen und bei Fragen wenden Sie sich bitte an:
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG
Hochhäuser Straße 8
97941 Tauberbischofsheim
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