Maria Montessori
Als Anregerin für die Erziehung in der frühen Kindheit und Grundschulzeit zählt Maria Montessori (1870-1952) zu den Klassikern der modernen Pädagogik.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die italienische Ärztin Maria Montessori eine pädagogische Reform der Kleinkinder- und Grundschulerziehung zu entwickeln. Ihr Anliegen war es, Kinder darin zu unterstützen, ihre Kräfte und Fähigkeiten selbst zu entdecken und zu üben. Lehrmaterialien, aber auch Möbel und Architektur sollten darauf ausgerichtet sein. Montessori-Klasse Berlin-Tempelhof, 1955.
Als Anregerin für die Erziehung in der frühen Kindheit und Grundschulzeit zählt Maria Montessori (1870-1952) zu den Klassikern der modernen Pädagogik.
Das Kind besitzt eine fundamentale schöpferische Eigenaktivität und Spontaneität. In tätiger Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickelt es sich zum selbständigen Menschen.
Ohne sozialen Bezug kann sich das Individuum nicht entfalten. Montessori-Kindergarten in Frankfurt am Main, 1928.
Das Kind soll durch eigene Aktivität lernen, Meister seiner selbst zu werden. Erziehung beschränkt sich auf eine helfende Funktion bei der Selbstwerdung des Kindes. Berlin-Tegel, 1948.
Freie Wahl und freie musische Ausdrucksmöglichkeiten für die Kinder: Musik und Tanz im Kinderhaus, Berlin-Wedding um 1927.
Die von den Architekten Rudolf Schwarz und Hans Schwippert 1929 entworfenen Stühle und Tische möchten den Kindern auch das Erlebnis des Materials Holz und der klaren Grundformen der Möbel vermitteln.
Die Firma P. Johannes Müller, Berliner Gründungsfirma von VS, hatte von Maria Montessori von 1913 bis 1935 das alleinige Herstellungs- und Vertriebsrecht für Möbel und Unterrichtsmaterialien in Deutschland. Ein entsprechend ausgestattetes Montessori-Kinderzimmer wurde bereits auf der Werkbundausstellung in Köln 1914 präsentiert – wohl das erste in Deutschland vor einem größeren Publikum.
P. Johannes Müller präsentiert anlässlich des Kleinkindkongresses in Berlin 1932 ein mit Montessori-Materialien ausgestattetes Zimmer.
Werbeplakat von ca. 1926 des „alleinigen Fabrikanten“ in Deutschland für Montessori-Materialien P. Johannes Müller.
Die spezifischen Lehrmaterialien dürfen nur unter Lizenz Maria Montessori produziert werden. Selbst die Behälter aus Holz oder Pappe sind sehr sorgfältig gearbeitet.
Auf Pappe aufgeklebte Sandpapierbuchstaben ermöglichen sinnlich erfahrbare Schreibübungen. Montessori-Grundschulklasse, Berlin-Tegel um 1950.
Die Ausstattung von Kindergärten und Schulen besteht oft aus nicht angepasstem Mobiliar. Maria Montessoris Anliegen war es, den anatomischen Gegebenheiten der Kinder gerecht zu werden. Montessori-Zimmer 1931.
In der frühen Kindheit nimmt das Kind nach Maria Montessori Eindrücke aus seiner Umgebung ganzheitlich in sich auf. Dabei wählt es das aus, was es zum Aufbau seiner Persönlichkeit braucht. Das Kinderhaus bietet dafür den idealen Rahmen. Kinderhaus am Rudolfsplatz Wien, um 1930. Leben auf der windgeschützten Terrasse, die im Sommer als Beschäftigungsraum dient
Skizzen von Friedrich Benoit für ein Kinderhaus. Das Zimmer wird von den Fenstern aus durch niedrige, beidseitig benutzbare Einbauten geteilt. Damit können Gegenstände und Lehrmaterialien übersichtlich angeordnet werden.
Das Kinderhaus besitzt klar strukturierte Räume bzw. Bereiche für verschiedene Tätigkeiten. Der große Beschäftigungssaal lässt Raum für Bewegungsübungen. Kinderhaus in Altona, 1928.
Das Mobiliar ist den Größen von Kindern angepasst. Es soll bequem und wandelbar sein. Tische und Stühle können von den Kindern selbst bewegt werden. Möbel für eine Spielecke, 1928 (nach einem Entwurf von Ferdinand Kramer)
Kindgerechtes Mobiliar für unterschiedliche Gruppentätigkeiten. Fenster sind von den Kindern selbst zu öffnen, auch die Türklinken sind auf Kinderhöhe angebracht.
Dem Kinderhaus sollte nicht nur ein Garten angeschlossen sein, die sinnliche Erfahrung und die Begegnung mit der Natur ist auch Teil des Alltags. (Fotograf unbekannt, Franz Singer, Städtischer Kindergarten der Gemeinde Wien Goethehof, 1930-1932. Bauhaus-Archiv Berlin)
Maria Montessoris Pädagogik gründet auf der natürlichen physiologischen und psychischen Entwicklung des Kindes. Wesentlicher Bestandteil davon ist, einfache Verrichtungen des praktischen Lebens ein- und auszuüben. Diese Übungen des täglichen Lebens kommen dem Betätigungs- und Bewegungsdrang der Kinder entgegen und nehmen ihr natürliches Interesse an ihrer Umgebung auf. Möbel, Lehrmaterialien und umgebende Architektur unterstützen diesen pädagogischen Prozess. Abwaschen und Abtrocknen im Kinderhaus Berlin-Lankwitz, um 1920.
Kinderhaus Leopoldplatz, Berlin-Wedding, 1928. Kinder unterstützen sich beim Schuhe zubinden – das fördert gegenseitigen Respekt und soziale Verantwortung.
Auch Hausarbeiten zählen zu den Übungen des täglichen Lebens. Bei allen Verrichtungen geht es darum, die Aufmerksamkeit der Kinder mit ihren Bewegungen und Sinnen in Einklang zu bringen. Montessori-Kindergarten, Berlin 1955.
Unabhängigkeit und Selbstvertrauen: Der Junge übt, Wasser von einem Gefäß in ein anderes zu gießen, möglichst ohne etwas zu verschütten. Kinderhaus Berlin, 1961.
Beim Kartoffelschälen in einem Berliner Kinderhaus, 1920. Vorbereiten und Auftragen der Mahlzeiten sowie der gemeinsame Abwasch üben Aufmerksamkeit und steigern das Verantwortungsgefühl.
Kinder versorgen selbständig ihren Vogel und Topfpflanzen, Kinderhaus Berlin, um 1920. Sie lernen, dass Pflanzen und Tiere auf fürsorgliche und verantwortungsvolle Pflege angewiesen sind.
Die ersten rhythmischen Übungen sind Gleichgewichtsübungen. Das Gehen auf der Linie fördert die bewusste Koordination von Bewegungen. Wiener Kinderhaus, 1935.
Kinderhaus Altona, um 1928. Wesentlicher Bestandteil der natürlichen physiologischen Entwicklung des Kindes ist auch die Erziehung der Muskeln.
Das Kind ist nicht länger Objekt der Erziehung, sondern selbstbestimmtes Subjekt, das seine Aufgaben entsprechend seiner jeweiligen Entwicklungsstufe in einer ihm gemäßen Umgebung selbst wählen kann. In jeder Stufe ist die Empfänglichkeit zum Erwerb bestimmter sinnlicher Fähigkeiten besonders ausgeprägt. Kinder mit ihrer Erzieherin bei der Beschäftigung mit den Rasselbüchsen – Sinnesmaterialien zur Entwicklung des Gehörsinns und des musikalischen Sinns. Kinderhaus am Fröbelseminar Hamburg, um 1930.
Übungsmaterial mit verschiedenen Arten von Einsatzzylindern – gleiche Zylinder sowie Zylinder mit verschiedenem Durchmesser und abnehmender Höhe.
Farbtäfelchen in einem Holzkasten. Es stehen acht Grundfarben mit jeweils acht Schattierungen von dunkel bis hell zur Verfügung.
Das Mädchen wägt Holztäfelchen ab. Selbstkontrolle ist durch die Farbe der Plättchen gegeben. Montessori-Kindergarten Berlin, 1950.
Das Kind ordnet je zwei Glocken mit gleichem Klang, später auch entsprechend der Tonleiter mit ganzen und halben Tönen.
Ein Junge ertastet Umrisse geometrischer Figuren. Ohne Hilfe der Augen umfährt er die Figuren mit Zeige- und Mittelfinger, um ihre Form zu empfinden. Kinderhaus Berlin, um 1920.
Im Zuge langjähriger praktischer Arbeit mit Kindern entwarf Montessori Lehr- und Lerngegenstände ganz neuer Art, klar und einfach gestaltete Objekte, gleichermaßen präzis und sinnlich ansprechend. Sandpapierbuchstaben auf farbigem Karton – mit diesem Instrumentarium wird der Prozess des Schreibenlernens initiiert. Im Kinderhaus werden die Pappkärtchen in Holzkästen angeboten. Vokale befinden sich auf blauem, Konsonanten auf rotem Karton.
Mit Zeige- und Mittelfinger fährt das Kind die Buchstaben nach und spricht den zugehörigen Laut aus. Berliner Kinderhaus um 1927.
Auch das Grammatikmaterial gibt beim Lernen Gelegenheit zur Mitbetätigung der Hand und der Sinne. Artikelkärtchen werden vor Substantive gesetzt. Montessori-Schulklasse in Berlin, 1927.
Kinderhaus Altona, 1928. Ein Mädchen kommt mit dem, was es geschrieben hat, zur Erzieherin
Montessori-Klasse in Berlin, 1949. Zur Übung im Dezimalsystem zählen Mädchen die „Tausenderkette“. Dabei markieren sie die Abschnitte zwischen den Hundertern.
Lernen unter Zuhilfenahme der Sinne: Schüler vergleichen Flächen und Längen an geometrischen Grundformen und entwickeln so Sinn für mathematische Verhältnisse. Montessori-Klasse, Berlin-Tegel, um 1950.
Kosmische Erziehung umfasst die Bereiche Natur, Kultur und Gesellschaft. Der Junge untersucht den Bau einer Blüte mit Pinzette und Lupe und ordnet die einzelnen Teile den Bezeichnungskärtchen zu. Montessori-Schule Aachen, um 1930.
Die Montessori-Pädagogik betrachtet den jungen Menschen als ganze Persönlichkeit. Dem soll die Schule durch ihr besonderes Angebot gerecht werden. Auf den Regalen liegt das Montessori-Material zur Auswahl bereit. Die Arbeitstische sind locker angeordnet, der größte Teil des Zimmers bleibt zur freien Verfügung der Kinder leer. Die Lehrerin ist da, wo sie gerade gebraucht wird, und hilft, wenn Hilfe benötigt wird. Die Kinder sind in ihre selbstgewählten Arbeiten vertieft, jedes Kind macht selbständig und in eigener Initiative etwas anderes. Integrative Münchner Montessori-Schule der ‚Aktion Sonnenschein’, 1972
Das Mädchen arbeitet mit Material zur Wortartbestimmung. Offene Regale stellen Lehrmaterialien und Gebrauchsgegenstände zur freien Verfügung der Kinder bereit.
Offene, leichte und transparente Architektur von Behnisch & Partner, 1993-1997.
Blick in das Atrium des Klassentrakts, in dem sich breite Gänge und großzügige, zueinander versetzte Treppen zu einem dichten Wege- und Beziehungsnetz verbinden.
Weltweit ist das Montessori-College Oost von Herman Hertzberger im Jahr 2000 der erste Neubau, der eigens für eine weiterführende Montessori-Schule errichtet wird.
Ein Ort für die Begegnung: Blick in die Aula des Montessori-College Oost.
Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen Lernumgebung und pädagogische Ausstattung, wie sie Maria Montessori für Kindergarten und Grundschule vorgeschlagen hat. Dabei werden originale Materialien von VS bzw. der Berliner Gründungsfirma P. Johannes Müller, die Montessori-Lehrmittel von 1913 bis 1935 für den deutschen Markt produziert hat, erstmals in historischem Kontext präsentiert.
Herausgegeben von
Thomas Müller und Romana Schneider
Prestel Verlag, 2002
(ISBN 3-7913-2650-3)
158 Seiten mit zahlreichen Abbildungen